NS-Wirtschaft und Großraum – 7


 

Kulturstrategien als ethnopolitisches Vehikel einer deutschen Wirtschafts- und Machtpolitik

 

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„Ein Überprüfung der Personalpolitik des Auswärtigen Amtes durch die Westmächte im August 1951 ergab: 134 Beamte und Angestellte hatten der NSDAP, 138 dem Ministerium des als Kriegsverbrecher hingerichteten Joachim von Ribbentrop angehört“

„Ein Jahrhundert Heilsgeschichte – Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege“, Karlheinz Deschner, Kiepenheuer&Witsch, 1983

Das Auswärtige Amt unter Stresemann (ab 1925) schuf ein verdecktes Netzwerk in vielen europäischen Ländern, welches deutschsprachigen Ausländern mit Geld und Know How versorgte, um erst „kulturelle Autonomie“ und dann territoriale Selbstbestimmung einzufordern. Blieben Organisationen wie der „Schutzbund“ oder der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) für das ausländische Deutschtum reserviert, so wurden die fremdsprachigen Minderheiten in einem von Berlin gesteuerten und verdeckt finanzierten „Europäischen Nationalitätenkongress“ organisiert. Dieser Nationalitätenkongress erhob den Anspruch, für das „Selbstbestimmungsrecht“ von ethnischen Minderheiten einzutreten. Damit waren sowohl Belgier (Flamen) und Franzosen (Bretonen) als auch Sowjetbürger (Ukrainer, Kasachen) oder Jugoslawen angesprochen (Kroaten).

„Spätestens 1928 hatte das Auswärtige Amt seine völkische Subversion soweit standardisiert, das von einer speziellen, im Kaiserreich wie in Weimar eingesetzten, weitgehend regimeunabhängigen Methode der Vorbereitung deutscher Expansionen gesprochen werden kann. Ihr winkte überall dort Aussicht auf Erfolg, wo die Ungleichzeitigkeiten und Schwergewichte nationaler Staatenbildung zum ökonomischen, politischen oder kulturellen Ausschluss, zumindest zur Bedeutungsminderung ganzer Bevölkerungsgruppen geführt hatten.“

„Der Krieg vor dem Krieg – Politik und Ökonomik der „friedlichen“ Aggressionen Deutschlands 1938/39“ Werner Röhr/Brigitte Berlekamp/Karl Heinz Roth (Hrsg.), VSA-Verlag, Hamburg 2001  Speziell: “Deutsche Ethnopolitik – Kontinuitäten und Entwicklungen“, Hans-Rüdiger Minow, S.326 – 352

So konnten 1938, im Zuge der Vorbereitungen der Besetzung der Tschechoslowakei, Sudetendeutsche im großen Stil dazu motiviert werden paramilitärische Verbände zu bilden, Waffenlager anzulegen und zur Vortäuschung eines Bürgerkrieges, Bombenanschläge zu verüben. So sollte der Einmarsch der Wehrmacht als eine Schutzmaßnahme für die deutsche Minderheit erscheinen. In Kroatien konnte nach der deutschen Besetzung Jugoslawiens 1941 das klerikal-faschistische Ustascha-Regime seine Vorstellungen von „Volksgemeinschaft“ durchsetzen. Im Zuge der langfristigen Durchsetzung dieses (vierjährigen) kroatischen Nationalstaates wurden ca. 300 000 Serben, 25 000 Juden und 20 000 Roma ermordet.
 
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Nach dem 2. Weltkrieg wurden viele dieser kulturpolitischen Vereine neu gegründet. Der „Bund deutscher Nordschleswiger“ wurde bereits 1945 gegründet, die „Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV) folgte 1949 und 1955 wurde der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ wieder ins Leben gerufen. Nicht wenige der Gründungsmitglieder waren bereits im 3. Reich in diesem Segment der Kulturpolitik aktiv und brachten ihre Vorstellungen von „aktiver Volksgruppenarbeit“ in die neuen Vereine mit ein. Charakteristisch für dieses Netzwerk war die Personalunion mit der gleichzeitig in mehreren dieser Organisationen Aufbauarbeit betrieben wurde. Ab 1957 sollen auch wieder staatliche Fördergelder geflossen sein und die Zielsetzungen dieser Organisationen erschienen wieder verklausuliert auf der politischen Agenda. Im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen war Uwe Stiemke, Leiter des Referats I 5 (Grenzgebiete). Er betreute den Bund deutscher Nordschleswiger (BdN), sowie die deutschsprachige Minderheit in Belgien, die er als Mitglied der Düsseldorfer Hermann-Niermann-Stiftung förderte. Diese als subversiv verstandene Tätigkeit des Bonner Ministerialdirektors führte zu diplomatischen Protesten seitens der belgischen Regierung.

Die Hermann-Niermann-Stiftung wurde 1977 unter der Zielsetzung der Unterstützung deutscher Minderheiten in Europa gegründet. Von der Gründungsphase bis zum Ende der 1980er war bei dieser Stiftung eine klare politische Einflussnahme und eine dementsprechende Unterstützung von Rechtsextremisten erkennbar. Vorstandsvorsitzender ist von 1987 bis heute Uwe Stiemke. Kuratoriumsvorsitzender ist seit 1993 der Däne Peter Iver Johannsen. Dieser ist gleichzeitig Funktionär der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen sowie des Vereins für das Deutschtum im Ausland. Unter den unterstützten Minderheitenvereinigungen befinden sich die FUEV und der Bund deutscher Nordschleswiger. 1971 wurde, finanziert vom Auswärtigen Amt, die „Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen“ (AGEG) gegründet. Erster Geschäftsführer war der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble. Ziel dieser Arbeitsgemeinschaft war die wirtschaftliche Durchdringung nationalstaatlicher Grenzen, die als „Atavismus nationalstaatlichen Denkens“ bezeichnet wurden und sogenannten Euroregionen Platz machen sollten. 1977 folgte, in enger Kooperation mit der FUEV, die Gründung des „Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus“ (Intereg), welches Vorschläge für ein Internationales Volksgruppenrecht und eine Europäische Regionalismuskonvention entwickeln sollte

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der deutschen Wiedervereinigung wurde ab ca. 1990 mittels einer massiven Erhöhung des Etats, die operative Arbeit dieser Institutionen ausgeweitet und neu ausgerichtet. Die bis 1991 feststellbare Höhe dieser Mittel soll bei 210 Millionen DM gelegen haben. Niedergeschlagen hat sich dies u.a. in dem Artikel 20, Abs. 3, der Fragen und Rechte deutscher und anderer ethnischer Minderheiten behandelt und der in sämtlichen Nachbarschaftsverträgen und Freundschaftsverträgen mit ost-und südosteuropäischen Staaten der 1990er Jahre auftaucht.

1996 wurde das „Europäischen Zentrum für Minderheiten“ (EZM) gegründet, welches seinen Sitz in Flensburg hat und eher deutschen denn europäischen Interessen dienlich ist. Fast zeitgleich zu dieser Gründung publizierte die Bertelsmann-Stiftung Planungsüberlegungen für Grenzrevisionen in mehreren Staaten Ost-und Südosteuropas. Offizieller Auftraggeber des Gutachtens war das „Centrum für angewandte Politikforschung“ (CAP), ein dem Auswärtigen Amt nahestehender und von der Deutschen Bank mitfinanzierter Think tank. Die erörterten territorialen Veränderungen betrafen u.a. Ungarn, Rumänien, Russland, die Ukraine, Lettland, Estland, Armenien und Aserbaidschan. Über Jugoslawien heißt es in diesem CAP-Gutachten von 1996:

„Der akuteste Krisenherd, der … bald zur Explosion kommen wird, ist der Kosovo, dessen albanische Mehrheitsbevölkerung … ihren Willen zur Sezession und einem eventuellen späteren Anschluss an Albanien eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Die historischen Gebietsansprüche der Serben müssen dem Recht auf Heimat der Albaner unzweifelhaft weichen.“

Ein gemeinsames Ziel dieser Institutionen und Think Tanks war eine Modifizierung des internationalen Rechts, so dass die „internationale Gemeinschaft“ bei eskalierenden ethnischen Konflikten Optionen auf ein direktes Eingreifen erhalten könnte. Gemäß dieser Intentionen erklärte Rainer Hofmann, ein Führungsmitglied des EZM am Vorabend des Jugoslawienkrieges das „das Internationale Völkerrecht außer Kraft gesetzt werden müsse, um »im Extremfall auch (eine) gewaltsame Ausübung des Selbstbestimmungsrechts« der Minderheiten und »Volksgruppen« herbeizuführen.“ In einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages über „Machtpolitik am Kaspischen Meer“ (1999) hieß es, man müsse “die Regionenbildung an der Peripherie des früheren Sowjetreiches (Zentralasien, Transkaukasus, Schwarzes Meer) … unterstützen und zugleich diese Regionen untereinander und mit Europa … verbinden.“ Die Staaten am Kaspischen Meer sollen Teile eines um die EU liegenden „dritten Integrationsringes“ werden.
 
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In diesem Zusammenhang bietet die 1931 gegründete F.V.S.-Stiftung (F.V.S. steht für „Freiherr von Stein“) ein weiteres interessantes Beispiel. Gründer war der Hamburger Getreidegroßhändlers Alfred C. Toepfer (1894–1993), nach dem die Stiftung 1993 umbenannt wurde. Nach 1931 hatte dieser mit der F.V.S.-Stiftung und der Hansischen Stiftung in Hamburg, der Johann Wolfgang Goethe-Stiftung in Freiburg und der Stiftung JWG (Johann Wolfgang Goethe) in Vaduz/Basel ein Netzwerk von Stiftungen aufgebaut, die sich alle der Förderung des „volksdeutschen Bewusstseins“ in den Grenzgebieten des Deutschen Reiches verschrieben hatten.

Alfred Toepfer, der am 1. Weltkrieg teilgenommen hatte und noch danach als Freikorps-Mitglied in Uniform stand, gründete 1920 das Handelsunternehmen Alfred C. Toepfer, welches sich in der Sparte landwirtschaftliche Produkte/ Getreide zu einem erfolgreichen Großunternehmen entwickelte. Bereits in den 1920ern zeigte sich sein Mäzenatentum mit dem Aufbau mehrerer Jugendherbergen im nahen Ausland – in Regionen auf die die völkischen Kräfte in Deutschland Territorialansprüche erhoben. 1933 berief Toepfer mehrere Nationalsozialisten in den Stiftungsrat der F.V.S. und lobte ab 1935 zahlreiche Kulturpreise aus. Er stand in enger Beziehung zum Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VBA) und baute in den 1930ern Kontakte zur separatistischen Bewegung in Elsass, Lothringen und Flandern auf, wie auch zu nationalsozialistischen Kreisen in der Schweiz, den Niederlanden und der österreichischen NSDAP.

„Der Sicherheitsdienst der SS (SD) war Anfang 1937 zur Auffassung gelangt, dass es nicht Aufgabe einer parteiamtlichen oder offiziösen Stelle sein könne, Außenpolitik zu betreiben. Die Gefahr einer Kompromitierung des Dritten Reiches und außenpolitischer Verwicklungen infolge Einmischung in Angelegenheiten fremder Staaten liege auf der Hand, wenn diese durch eine parteiamtliche oder offiziöse Stelle geführt würde. (…) Toepfer engagierte sich als Privatmann in „Volkstumsfragen“ überall da für das NS-Regime, wo der NS-Staat bzw. die Partei und deren Gliederungen nicht offiziell in Erscheinung treten durften.“

Schweizerkreuz und Hakenkreuz – Das Stiftungsvermächtnis der Gebrüder Toepfer in der Schweiz

Toepfer wurde Ende 1939 zur Abwehr unter Admiral Canaris eingezogen und einer Abteilung  zugeordnet, die für Minderheiten und politische Gruppierungen im Ausland zuständig war. 1940 wurde er in die Abwehrleitstelle Paris versetzt. Dort entstand unter seiner Mitarbeit ein sogenannter „Frankreich-Bericht“, der sich intensiv mit dem französischen Regionalismus und den sich daraus entwickelnden separatistischen Kräften auseinandersetzte – u.a. mit dem Ziel so Résistance-Gruppen besser unterwandern zu können. 1942 wechselte Toepfer zur wirtschaftlichen Abteilung der Militärkommandatur in Frankreich und gründete ein Jahr später in Paris ein sogenanntes „Einkaufsbüro“ mit einem vielfältigen Aufgabenspektrum: Kontrolle der Schwarzmärkte in Frankreich, Devisenbeschaffung durch den Verkauf konfiszierter französischer Güter und Beschaffung kriegswichtiger Rohstoffe aus Spanien und Portugal. 1944 verließ Toepfer Paris und wurde 1945 aus dem Wehrdienst entlassen, so dass er das Kriegsende in Hamburg als Zivilist erlebte.
 
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Die Firma Alfred C. Toepfer entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg zu einem der international führenden Getreide- und Futtermittelhandelsfirmen und erreichte Mitte der 1970er Jahre einen Umsatz von ca. 10 Mrd. DM. Das Kapital der persönlich haftenden Gesellschafterin der Firma, der Alfred C. Toepfer Verwaltungsgesellschaft, war 1961 vollständig an Toepfers Stiftung F.V.S übertragen worden, die bis in die 1980er Jahre wesentlicher Kapitalträger der Firma war. Interessant an der „Alfred C. Toepfer F. V. S.-Stiftung“, bzw. dem gesamten Stiftungsnetzwerk, ist die ungebrochene Kontinuität ihres Bestehens und Wirkens seit den 1930er Jahren, sowie einige skandalisierte Umstände bei der gemeinnützigen Goethe-Stiftung in Basel. Der Präsident dieser Stiftung war bis Ende der 1970er Jahre Prof. Dr. Gustav Adolf Rein, der ehemalige NS-Rektor der Universität Hamburg, der maßgeblich die „Entjudung“ der Lehranstalt betrieb, von der u.a. auch Wissenschaftler wie Ernst Cassirer, Richard Salomon und Franz Stern betroffen waren. Diese Goethe-Stiftung vergab bis in die 1980er Jahre Kulturpreise an ehemalige Nationalsozialisten aus Österreich und Rumänien.

Desweiteren existiert in Hamburg die Carl-Toepfer-Stiftung, deren Vorläufer 1936 von den Brüdern Alfred und Ernst Toepfer in Freiburg/ Breisgau gegründet wurde und die 1942 nach Hamburg verlegt wurde. Diese Stiftung engagiert sich in der Pflege der plattdeutschen Sprache und in der „Denkmalpflege“ im Bereich Peterstraße, Neanderstraße und Hütten. Dort wurde im Zeitraum 1968 bis 1984 der Beyling-Stift von 1751 restauriert und eine Reihe von Althamburger Bürgerhäuser aus dem 17. bis 19. Jh. rekonstruiert, die vormals an ganz anderen Stellen der Hamburger Altstadt standen. Ergänzt wird dieses Ensemble inzwischen durch eine ständige Fotoausstellung im Durchgang zum Innenhof des Beyling-Stiftes, die Bilder des von den Nationalsozialisten abgerissenen Gängeviertel zeigt. Diese Verklitterung historischer Fragmente wird den Touristen inzwischen als ein Stück „Alt-Hamburg“ präsentiert.
 


LITERATUUR EN VERWIJZINGEN
 
Werner Röhr/Brigitte Berlekamp/Karl Heinz Roth (Hrsg.): „Der Krieg vor dem Krieg – Politik und Ökonomik der „friedlichen“ Aggressionen Deutschlands 1938/39“ – 2001 
Speziell: Hans-Rüdiger Minow: “Deutsche Ethnopolitik – Kontinuitäten und Entwicklungen“, S.326 – 352
 
Hans-Rüdiger Minow: „Völker hören Signale – Volksgruppenpolitik schürt ethnische Konflikte“ (Informationszentrum 3. Welt – Jahrgang 1999, Heft 238)
 
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/048/1304832.asc
Der Spiegel – Südtirol ist überall – 1994
 
Michael Fahlbusch: Nicht philanthropisch
Schlomoh Gysin: Alfred Toepfer: Nazi oder Humanist?
http://www.triller-online.de/d2018.htm
 
Wikipedia – Alfred Toepfer
Michael Fahlbusch: Schweizerkreuz und Hakenkreuz – Das Stiftungsvermächtnis der Gebrüder Toepfer in der Schweiz

 

 

 

Afbeeldingen: bron

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