Achille Mbembe en antisemitisme

Cyrill Folliot: Der Historiker, Politikwissenschaftler und Autor Achille Mbembe



ACHILLE MBEMBE: EINE ECHTE CAUSA

Zum Streit um den renommierten afrikanischen Historiker Achille Mbembe, dem nun in Deutschland Antisemitismus vorgeworfen wird.

 
Achille Mbembe gilt als wichtigster Denker des Postkolonialismus, ja gar als einflussreichster Intellektueller des gesamten afrikanischen Kontinents. Er wurde mit renommierten Preisen wie dem Geschwister-Scholl-Preis überschüttet und erhielt weltweit namhafte Gastprofessuren. Doch seit die Intendantin Stefanie Carp im März verkündet hat, dass Mbembe die Eröffnungsrede ihrer Ruhrtriennale halten soll, ist um ihn eine heftige Debatte entbrannt. Im Mittelpunkt steht die brisante Frage, wie viel Antisemitismus im Werk des 62-jährigen Historikers steckt.
 
Begonnen hat der Streit durch Interviewaussagen von Felix Klein, der seit 2018 als “Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus” wirkt. Klein warf Mbembe vor, er habe “in seinen Schriften das Existenzrecht Israels infrage gestellt und überdies auch das Apartheidsystem Südafrikas mit dem Holocaust verglichen”. Dass ausgerechnet er nun die Ruhrtriennale eröffnen solle, füge dem Festival “erheblichen Schaden” zu, das eines der wichtigsten Kulturfestivals des Landes ist. Handelt es sich bei diesen Äußerungen um einen fragwürdigen Eingriff in die Autonomie des Kulturbetriebs – immerhin spricht Klein für die Bundesregierung? Andersherum: Wäre es nicht skandalös, wenn die auch mit Bundesmitteln finanzierte Ruhrtriennale mit Mbembe ausgerechnet jemandem die Devotion erwiese, der den Holocaust verharmlose? So sieht es unter anderem Lorenz Deutsch, der für die FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen sitzt und in einem offenen Brief fordert, Mbembe doch bitte auszuladen. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen hat angekündigt, zur weiteren Beratung den Aufsichtsrat der Ruhr Kultur GmbH einzuberufen, die die Ruhrtriennale veranstaltet.
 
Damit besitzt die Debatte nun alles, was es in Deutschland braucht, um als “Causa” zu gelten, und Dynamik hat das Ganze vor allem deshalb in so kurzer Zeit gewonnen, weil die Ruhrtriennale als gebranntes Kind gilt, seit dort 2018 die schottische Hip-Hop-Band Young Fathers auftreten sollte. Die Band unterstützt die internationale BDS-Kampagne, die sich seit fast 20 Jahren für den wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott des Staates Israel einsetzt und sich als Lobbyorganisation der Palästinenser vermarktet, die strikt gewaltfrei sei. Beides ist freilich, wie sich leicht herausfinden lässt, grundlegend falsch: Zum einen spricht der BDS natürlich keineswegs für die Palästinenser. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit im Westjordanland und im Gazastreifen Boykott ablehnt. Und zum anderen finden sich durchaus Verästelungen zwischen dem BDS und islamistischen Banden wie Hamas. Mit Petitionen und Demos zieht der BDS gegen Kulturveranstaltungen ins Feld, bei denen israelische Künstler auftreten. Mittlerweile gehört es zum Prozedere, dass auf diesen Boykott mit Gegenboykott reagiert wird. So fordert es eine Bundestagsresolution, und auch ein Beschluss des NRW-Landtags sieht vor, dass BDS-Künstler nicht auf Veranstaltungen auftreten sollen, die Kultursubventionen erhalten. Doch unterstützt Mbembe überhaupt denBDS?
 
Er selbst bestreitet das. Zwar setzte er 2010 seine Unterschrift unter eine Boykott-Erklärung. Diese habe sich aber bloß auf die israelische Universität Ben Gurion bezogen, die militärische Forschung betreibe. Seine Kritiker, darunter auch FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube, stützen sich außerdem auf verschiedene Sätze, die Mbembe in den letzten Jahren zu Papier gebracht hat. So steuerte er 2015 das Vorwort für das Buch Apartheid Israel bei, dessen Erlös einer BDS-Kerngruppe gespendet wurde. Im Vorwort schrieb er, dass Israel schlimmer sei als das südafrikanische Apartheidregime: “Die Besetzung Palästinas ist der größte moralische Skandal unserer Zeit, eine der entmenschlichendsten Torturen des Jahrhunderts, in das wir gerade eingetreten sind, und der größte Akt der Feigheit des letzten halben Jahrhunderts. Und da alles (…) ein Kampf bis zum Ende ist, da sie bereit sind, den ganzen Weg zu gehen – Gemetzel, Zerstörung, schrittweise Ausrottung –, ist die Zeit gekommen für globale Isolation.”
 
In seinem Buch Politik der Feindschaft schreibt Mbembe außerdem: “Das Apartheidregime in Südafrika und – in einer ganz anderen Größenordnung und in einem anderen Kontext – die Vernichtung der europäischen Juden sind zwei emblematische Manifestationen dieses Trennungswahns.” Israel habe ein System, “wo das Blut (das vergossene Blut) das Gesetz macht, in expliziter Anwendung des alten Diktums der Vergeltung, des Aug-um-Auge”. In der Wissenschaft gilt eine solche Verquickung des Alten Testaments mit Israel als Merkmal der Judenfeindschaft. In der ZEIT äußert sich Mbembe jetzt selbst ausführlich zu den Vorwürfen.

 


BRON
Die Zeit22 april 2020




Uitgelichte foto: © Cyrill Folliot/​AFP

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