Zo leerden we de wereld kennen, door handel en roof, als het maar geld opbracht. Zo kijken we nog steeds naar de wereld en rechtvaardigen ons handelen door regels die wij anderen opgelegd hebben.
BEGINN DES KAPITALISMUS: DIE VERWANDLUNG DER WELT
Vor 225 Jahren wurde die Niederländische Ostindien-Kompanie aufgelöst, die für den Beginn des modernen, global agierenden Kapitalismus steht. Ein Rückblick.
Arno Widmann
Heute vor 225 Jahren wurde die Auflösung der Niederländischen Ostindien-Kompanie beschlossen. Am 20. März 1602 war die „Vereenigde Nederlandsche Geoctroyeerde Oostindische Compagnie“ (VOC) gegründet worden. Sie entstand mit kräftiger staatlicher Unterstützung aus der Vereinigung kleinerer bestehender Handelsgesellschaften.
Schon aus der römischen Antike sind Zusammenschlüsse von Fernhändlern überliefert. Aber die erste wirkliche Aktiengesellschaft, an der sich jedermann finanziell beteiligen konnte, war wohl die von Amsterdam aus agierende Niederländische Ostindien-Kompanie. Das Monogramm der Firma mit dem großen V in der Mitte und dem O auf der linken und dem C auf der rechten Seite war womöglich das erste weltweit bekannte Firmenlogo. Wir befinden uns inmitten der Entstehung des modernen, global agierenden Kapitalismus. Zu seinen Entstehungsbedingungen gehören nicht nur die Vernichtung der Agrar- und ihre Ersetzung durch die Industriegesellschaft, sondern auch der Zugriff auf die Ressourcen der ganzen Welt. Ohne die Ausbeutung südamerikanischer Silberminen wäre Europa niemals in die Lage gekommen, auch in den chinesischen Markt eindringen zu können.
Was mir in der Schule noch als das „Zeitalter der Entdeckungen“ vorgestellt worden war, war in Wirklichkeit das der weltumgreifenden Raubzüge der Portugiesen und Spanier.
Ihnen folgten die Vereinigten Niederlande, die in einem ganz Europa beeindruckenden Kraftakt sich von Spanien gelöst und in kürzester Zeit einen rasanten ökonomischen und kulturellen Aufstieg hingelegt hatten. Die holländische Malerei stellte sich gleichberechtigt neben die Italiens. Ihr betont bürgerlicher Charakter wurde überall in Europa – wo meist die Höfe die wichtigsten Förderer der Kunst waren – erstaunt bis begeistert registriert.
Dass ein Mittelstand begütert genug sein konnte, um Tausenden Malern den Lebensunterhalt zu sichern – das hatte es in der Weltgeschichte noch nicht gegeben.
Aber zurück zur Niederländischen Ostasien-Kompanie. Sie war gegründet worden, um den Portugiesen den Gewürzhandel wegzunehmen. Oder doch jedenfalls ihr Monopol, was den Handel mit Indonesien anging, zu brechen. Die Muskatnüsse standen im Zentrum der Begierde. Das kommt uns hoch spezialistisch und einigermaßen absonderlich vor, aber wo ein Bedürfnis ist, da werden keine Kosten und Mühen gescheut, es zu befriedigen.
Das hat sich nicht geändert und nicht geändert hat sich auch, dass kaum Kosten und Mühen gescheut werden, um Bedürfnisse erst einmal zu wecken, um sie dann gewinnbringend befriedigen zu können. So werden aus Luxusgütern solche des Massenkonsums.
Zwischen 1602 und 1796 schickte die Niederländische Ostindien-Kompanie wohl eine Million Europäer zur Arbeit in den Asienhandel. 4785 Schiffe bewegten mehr als 2,5 Millionen Tonnen ostasiatischer Güter. Die Britische East India Company setzte in dieser Zeit gerade mal 2650 Schiffe ein, die nur ein Fünftel der Tonnage der Niederländer transportierten.
„Too big to fail“ wird in Leitartikeln gerne achselzuckend gesagt, als sei das ein ewig gültiges Gesetz. Ein kurzer Blick auf die vergangenen 30 Jahre zeigt einem, dass das nicht stimmt. Auch die Größten können scheitern. Die Älteren erinnern sich noch an die unangefochtene Führungsposition, die IBM einmal einnahm. Und die Giganten der deutschen Industrie: Krupp, Thyssen, AEG? Es gibt sie noch, aber es hat Verzwergung stattgefunden.
Die Geschichte der Niederländischen Ostindien-Kompanie wäre eine lehrreiche Lektion, dass niemand und nichts zu groß ist, um nicht eingehen zu können. Auch die Idee vom grundsätzlichen Primat der Ökonomie über die Politik wird von der Geschichte der VOC widerlegt. Sie belegt vielmehr das innige Verhältnis der beiden. Die offenbar nur in wechelseitiger Abhängigkeit existieren können.
Die Niederländische Ostindien-Kompanie war eine private Aktiengesellschaft, die ihr Territorium wie einen Staat organisierte. Es wurden Steuern eingezogen, man hielt sich eine eigene Streitmacht mit mehr als tausend Soldaten. Handel und Krieg gehörten zusammen. Nicht nur, was die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung anging. Zum Beispiel so: Im Mai 1619 eroberten die Truppen der Niederländischen Ostindien-Kompanie Jayakarta. Das Ergebnis war, dass im Laufe der 20er Jahre die einheimische Bevölkerung umgebracht oder geflohen war, so dass jetzt niederländische Plantagen entstanden.
Der Erfolg eines Handelsunternehmens hing davon ab, ob es in der Lage war, eine Monopolstellung zu erringen und zu behalten. Nicht nur in der Produktion, sondern auch auf den Tausenden von Kilometern langen Wegen der Distribution. Das war vor allem eine Frage militärischer Überlegenheit. Auch gegenüber der Konkurrenz. Handelskriege waren Kriege.
Um den asiatischen Handel kämpfte die Niederländische Ostindien-Kompanie mit der Britischen (gegründet 1600), der Dänischen (gegründet 1616), der Französischen (gegründet 1664), der Portugiesischen (gegründet 1628) und der erst 1713 gegründeten Schwedischen Ostindien- Kompanie.
Das waren alles „global players“. Die einzelnen Gesellschaften waren – mal mehr, mal weniger – staatlich geförderte Privatunternehmen. Das freie Unternehmertum war stets nur eine Seite des Kapitalismus. Die Stellung des Chefs einer Ostindien-Kompanie hing natürlich in erster Linie von seinen Erfolgen auf dem eigenen Territorium ab. Gelang es ihm, das auszuweiten, die Erträge zu steigern, so half ihm das bei der Durchsetzung seiner Interessen und der des von ihm geführten Unternehmens beim Staat. Die Unterstützung des Staates konnte er aber auch immer wieder gebrauchen, um die Stellung seiner Firma zu verbessern. Wir erkennen in diesem Spiegel nur zu gut unsere Gegenwart.
Man kann kein niederländisches Stillleben mehr anschauen, ohne darüber nachzudenken, wie sehr dieser Reichtum und die Beschwörung seiner Vergänglichkeit zusammenhängen mit der Erfahrung der Gewalt, die zu seiner Eroberung und zu seiner Erhaltung nötig waren. Es starben zu Hunderttausenden die unterworfenen Bevölkerungen, aber auch die eigene wurde in Kriegen verheizt oder starb auf Schiffsreisen, die Jahre dauern konnten.
Der Reichtum auf den von uns geliebten Bildern ist der der Überlebenden. Dieses Bewusstsein ist oft mit dargestellt. Es macht den Reiz vieler dieser Gemälde aus, dass die Fülle, von der sie erzählen, die allseits beschädigter Leben ist.
BRON
Frankfurter Rundschau – 16 maart 2023
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